Ich hoffe wir treffen uns weiterhin

von Michela Molinari

Schon letztes Jahr habe ich von dem Projekt «Deutsch im realen Kontext» gehört, aber da ich eine sehr schüchterne Person bin, habe ich mich nie getraut, mich anzumelden.


Im September habe ich mich schliesslich entschlossen, die Chance zu nutzen, um meine Deutschkenntnisse zu verbessern. Anfangs Oktober bin ich für das erste Mal ins Gesundheitszentrum für das Alter (GZA) Wildbach gegangen. Ich war ein bisschen nervös, denn obwohl ich gerne neue Leute kennenlerne, habe ich immer Angst, dass ich mich wegen meiner Schüchternheit nicht frei unterhalten kann. Das erste Treffen hat im Esszimmer stattgefunden. Als ich angekommen bin, habe ich den Tisch gesucht, auf dem mein Name stand. Am Tisch sass bereits meine Projektpartnerin: Jeanette Bider. Sie hat mich mit einem breiten Lächeln und einem höflichen Gruss willkommen geheissen. Ich habe mich sofort wohl gefühlt und wir haben über eine Stunde lang ohne Unterbrechung gesprochen. Wir beide haben uns so gut verstanden, dass wir in der folgenden Woche beschlossen haben, uns zweimal zu treffen.

Eines Nachmittags haben wir in ihrer Wohnung einen Tee getrunken und uns über unsere Familien unterhalten. Ich habe Jeanette einige Fotos von meiner Familie und meinen Freunden gezeigt, die ich auf meinem Computer vorbereitet hatte und sie hat mir ihrerseits alle Fotos gezeigt, die sie eingerahmt in ihrer Wohnung aufbewahrt, und mir etwas über jedes einzelne erzählt.

Am nächsten Tag haben wir uns wie zwei langjährige Freundinnen zum Einkaufen («Lädelen») getroffen. Jeanette brauchte eine neue Hose. Wir haben ein paar Geschäften besucht und haben dann die perfekte Hose gefunden.


In der folgenden Woche haben wir im Coop in der Nähe des Alterszentrums Wildbach eingekauft. Danach habe ich mich auf dem Balkon von Jeanettes Wohnung unterhalten, denn obwohl es Mitte Oktober war, war es ein schöner, warmer Tag.


Beim nächsten Treffen hat Jeanette mir über ihre Jugend erzählt. Sie ist in London, England, geboren und aufgewachsen und hat daher den zweiten Weltkrieg dort als Kind erlebt. Deshalb hat sie mir einige sehr berührende und absolut interessante Geschichten erzählt, die ich ohne ihre Erfahrungen aus erster Hand nie erfahren hätte. Jeanette hat mich daran erinnert, wie wichtig es ist, Menschen, die unglaubliche historische Momente erlebt haben, zu bitten, davon zu erzählen. Tatsächlich gibt es Ereignisse, die nicht in Schulbüchern gelernt und schon gar nicht richtig verstanden werden können, sondern an die man sich erinnern und von denen man erzählen muss.


In der nächsten Woche war es wieder sonnig, so dass wir die Gelegenheit genutzt haben, einen Spaziergang zu machen und an der Apotheke und dem Coop zu gehen. Als wir wieder in der Wohnung waren, habe ich Jeanette eine Präsentation vorgestellt, die ich für eine Vorlesung an der Universität vorbereiten musste, und sie hat mir wertvolle Tipps gegeben, um sie zu verbessern.


Das nächste Treffen war der Fototermin, bei dem Jeanette und ich mit den anderen Projektteilnehmern zu einem gemeinsamen Imbiss getroffen haben. Dort haben wir tolle Fotos gemacht, leckeren Kuchen gegessen und Tee getrunken.


Die Projekttreffen werden Anfang Dezember beendet sein. Ich habe mich sehr gut mit Jeanette verstanden und hoffe, dass wir uns auch später noch sehen werden und ich sie weiterhin zu Gesprächen und Spaziergängen besuchen kann.