Ein Tag mit Frau Lais an der Universität Zürich

Frau Lais und ich haben uns vor dem Hauptgebäude der ETH getroffen. Es war ein Nachmittag im April und zum Glück ein schöner und milder Tag. Als ich sie sah, schaute sie begeistert, aber auch etwas besorgt. Ich denke, sie war nicht sicher ob ich den Termin vergessen habe oder zu spät bin. Als sie mich aber gesehen hatte, lachte sie erleichtert.

Nachdem wir uns begrüsst haben, und sie mir erzählt hatte, wie problemlos die Taxifahrt war, gingen wir zum Hauptgebäude der UZH. Wir sind langsam gelaufen und ich wurde etwas besorgt, ob sie den Besuch auch geniessen kann. Dieser Besuch war mehr oder weniger mein Plan. Ich habe Frau Lais gefragt, was sie in Zürich gerne sehen würde, ob da ein spezieller Ort wäre, den sie gerne besuchen würde. Aber alles was sie mir gesagt hatte war, das sie in ihrem Alter schon alles gesehen hätte. Etwas hoffnungslos hatte ich gefragt: "Wie wäre es mit einem Besuch der Universität, wo ich studiere?". Darauf antwortete sie: "Oh, da bin ich noch nie gewesen".

Nun waren wir hier. In der Universität und aus dem Altersheim. Zuerst gingen wir zum Lichthof, wo wir uns einen Tisch ausgesucht haben, unter vielen lauten und beschäftigten Studenten. Frau Lais scheint es gefallen zu haben. Ich habe ihr etwas zum Trinken gekauft und wir haben zusammen gesprochen, wie wir es aus dem Altersheim gewohnt sind, seit wir uns jeden Mittwoch treffen. Fast wie immer, denn der ständige Lärm an der Uni ist nicht zu vergleichen mit der Ruhe im Altersheim Wolfswinkel.

Während Frau Lais mir die Neuigkeiten über ihre Grosskinder erzählt hat, schaute sie sich den Raum genau an. Sie hat kein Detail verpasst, die Skulpturen an der Wand, die schön bemalte Decke, das grosse blaue Bett in der Ecke wo sich die Studenten erholen. Frau Lais hat noch eine gute Sehkraft und natürlich hat sie interessante Geschichten aus ihrem Leben erzählt.

Während ich diesen Geschichten zuhörte, sind wir gemühtlich durch die Wege um die Universität gelaufen. Wir haben uns oft zum Verschnaufen hingesetzt, genossen die blühenden Blumen und den Wind der durch die Bäume bläst.

Ich habe Frau Lais auch in ein Museum mitgenommen, wo wir beide erstaunt waren über das grosse braune Mammut, das sie ausgestellt haben, und das Einhorn, welches versteckt in einer Ecke eines Raumes zu sehen war. Der Besuch im Museum war aber kurz, das Wetter war zu schön um drinnen zu sein. Unser letzter Stop war die Polyterrasse, von wo wir eine traumhafte Aussicht über Zürich geniessen konnten. Der Himmel war klar und die die Sonne spiegelte sich im Wasser vom Zürichsee. Die Türme der Kirchen stechen gigantisch aus der überfüllten Altstadt. Hier auf der Terrasse habe ich Frau Lais gefragt, ob sie Spanien vermisse oder ob sie je darüber nachgedacht hatte, nach Spanien zurückzukehren. Sie sagte: "Nein, meine Söhne und Grosskinder sind alle hier, das ist ihr Heimatland. Als ich mein Mann verloren habe, habe ich soviel Hilfe von diesem Land bekomme um meine Kinder hier aufzuziehen. Ich bin ewig dankbar für mein Leben hier und all die guten Erfahrungen die ich gemacht habe. Das ist auch mein Heimatland".


Juliana Soares dos Reis , Brasilien & Ana-Maria Laiz, Zürich